ÜBER 30 JAHRE IN DRESDEN

Der Beschluss des Amtsgerichts Weimar vom 08.04.2021, Az.: 9 F 148/21, schlägt hohe Wellen

Eine Mutter zweier Kinder, die in Weimar eine Regelschule und eine Grundschule besuchen, hat beim Familiengericht in Weimar einen Antrag nach § 1666 Abs. 4 BGB gestellt, mit der die Schulleitung und die Lehrer ausdrücklich angewiesen werden sollen, die entsprechenden Anordnungen zur Maskenpflicht, Schnelltests und Mindestabstand aufzuheben und den Präsenzunterricht an den Schulen aufrechtzuerhalten. Begründet hat die Mutter dies damit, dass durch den für ihre Kinder in deren Schulen geltenden Zwang, eine Gesichtsmaske zu tragen und untereinander und zu anderen Personen Mindestabstände einzuhalten, das Wohl ihrer Kinder gefährdet sei. Die Kinder würden physisch, psychisch und pädagogisch geschädigt, ohne dass dem ein Nutzen für die Kinder oder Dritte gegenüberstehe.

Das Familiengericht hat dem Antrag unter Verweis auf verschiedene Sachverständige in einem äußerst umfangreichen Beschluss stattgegeben. Durch den Beschluss wird den "Leitungen und Lehrern" der beiden Schulen, untersagt anzuordnen, "im Unterricht und auf dem Schulgelände Gesichtsmasken aller Art, insbesondere Mund-Nasen-Bedeckungen, sogenannte qualifizierte Masken (OP-Maske oder FFP2-Maske) oder andere, zu tragen". Auch Mindestabstände sowie die Teilnahme an Corona-Schnelltests sollen danach nicht angeordnet werden dürfen.

Doch es ist Vorsicht bei der Anwendung dieses Beschlusses geraten.

Das Bildungsministerium in Thüringen weist zu Recht darauf hin, dass, wie jede gerichtliche Entscheidung, auch dieser Beschluss rechtliche Wirkung allein für die am Verfahren Beteiligten entfalten könne. Vorliegend sind das die zwei Schüler. Der Beschluss habe keine Auswirkungen auf die Infektionsschutzmaßnahmen, die für die Thüringer Schulen insgesamt angeordneten wurden. Der Beschluss werfe gravierende verfahrensrechtliche Zweifel auf. So beschränke sich die Zuständigkeit des Familiengerichts in Sorgerechtsverfahren auf Fragen des Sorgerechts. Die Überprüfung von Infektionsschutzmaßnahmen oder Rechtsverordnungen der Landesregierung obliege dagegen den Verwaltungsgerichten. Auch könnten nur konkret benannte natürliche oder juristische Personen Adressat von gerichtlichen Ge- oder Verboten sein. Die "Leitungen und Lehrer" zweier Schulen, an die sich der Beschluss richte, erfüllten diese Grundvoraussetzung nicht. Ob die Entscheidung angesichts dieser und weiterer verfahrensrechtlicher Probleme überhaupt rechtliche Wirkung entfalte und Bestand haben könne, müsse obergerichtlich überprüft werden. Das Bildungsministerium will daher schnellstens eine obergerichtliche Prüfung des Beschlusses anstrengen.

Warum sich ein Amts- und nicht wie sonst üblich ein Verwaltungsgericht mit einer Klage zu erlassenen Corona-Regeln beschäftigt hat, erklärt sich nach einer Pressemitteilung des AG aus der angewendeten Rechtsgrundlage: Der Einzelrichter habe § 1666 BGB angewandt. Diese Vorschrift beschäftigt sich eigentlich mit der Gefährdung des Kindeswohls durch Eltern. Nach § 1666 Abs. 4 BGB kann das Gericht aber in Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen. In der 192 Seiten umfassenden Entscheidung gehe der Einzelrichter davon aus, dass die Überprüfung von Infektionsschutzmaßnahmen zur Zuständigkeit der Familiengerichte gehört und habe die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges verneint. Der Beschluss sei grundsätzlich nicht anfechtbar.

Da die Entscheidung aber ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, ist auf Antrag auf Grund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden. Das Bildungsministerium in Thüringen hat bereits angekündigt, diesen Schritt gehen zu wollen. Rechtsverbindliche Wirkungen kann der Beschluss daher noch nicht vollends entfalten.